Im Alpenraum spielt vor allem eine Sportart eine ganz besondere Rolle, das Stockschießen. Das gesellschaftliche Eisschießen erfreut Vereine, Hütten und Familien jedes Jahr auf zugefrorenen Gewässern oder künstlichen Eisbahnen, wenn man versucht, mit seinem Stock näher an die „Daube“ zu kommen als das gegnerische Team. Für einige ist Eisstockschießen jedoch nicht nur ein spaßiger Zeitvertreib, sondern Leistungssport. Wir haben den mehrfachen Welt- und Europameister Andi Weber beim Training in Freilassing besucht und bei einer Flasche Schönramer X-Mix über Tiefen und Höhen gesprochen und gefragt, ob Eisschießen irgendwann mal olympisch sein wird?  

Es war ein milder Februarabend. Eigentlich war es für unseren Geschmack viel zu warm, um Eis zu schießen. Doch schon aus der Ferne konnte man die für den Eisstocksport typischen Geräusche wahrnehmen. Als wir das Gelände des EC Freilassing-Hofham betraten, warf Andi gerade mit einem lauten Urschrei seinen Stock schwungvoll auf die 150 m lange Asphalt-Bahn, welcher rasant und mit lautem Rattern in Richtung Ende der Bahn schoss. „Servus Manner, schee dass do seids. Jetzt habts g‘radt meinen besten Trainingsschuß verpasst“, empfing uns Andi gut gelaunt.

Wie auch in vielen anderen Sportarten wird der Eisstocksport in verschiedene Bereiche gruppiert. Neben dem Mannschaft– und Zielwettbewerb gibt es auch das Weitschießen, eine Disziplin für die richtig starken Männer. Dabei geht es nur um eins – welcher Stock läuft am weitesten. Hierbei spielen vor allem das Zusammenspiel aus Kraft und Technik eine wichtige Rolle. Bei perfekten Bedingungen werden Weiten über 400 Meter erzielt. Der Weltrekord von 1989 liegt sogar bei 566 Meter. Aufgestellt von Manfred Zieglgruber am Seeoner See. Dieser Sparte gehört unser Andi an.

Das Trainingstrikot des gelernten Elektrotechnikers mit dem Schönramer Wappen auf der Brust war bereits vollkommen verschwitzt. Andi hat zu diesem Zeitpunkt bereits knapp 50 Trainingswürfe absolviert und seinen knapp 5 kg schweren Stock dementsprechend 50 Mal auf der anderen Seit der Bahn holen müssen. Fast täglich trainiert Andi auf dem Trainingsgelände in Freilassing und feilt an seiner Technik und seinen Weiten. Seit ein paar Monaten fungiert er zusätzlich als Mentor und Trainer für den 14-jährigen Luca, der ebenfalls dem Eisstocksport verfallen ist. Luca qualifizierte sich im Januar sogar für die im Februar 2022 stattfindende U-16 Europameisterschaft in Südtirol. Man könnte fast meinen, er tritt in die Fußstapfen seines Mentors.

Mit dem Eisstocksport hat auch Andi bereits im Kindesalter begonnen. Sein Vater Peter hat ihn schon ganz früh zum "Wildschießen" auf die Bahn des EC Hammerau mitgenommen. Aus Leidenschaft entwickelte sich sehr schnell Ehrgeiz. Durch seine Größe und den damit verbunden Hebel war er Gleichaltrigen weit überlegen. Seit Jahrzehnten ist die Stockbahn in Freilassing ein guter Austragungsort für nationale als auch internationale Wettkämpfe. Noch als Zuschauer war Andi von dem Mix aus Kraft, Athletik und den hohen Weiten der Sportler begeistert. Da hat Andi sofort Blut geleckt, wie er uns bei einer Flasche Schönramer X-Mix verriet, damals konnte er noch nicht ahnen, dass er schon bald zur Weltspitze dieser traditionellen Sportart gehören wird.

2010 brach Andi mit zarten 16 Jahren sprichwörtlich das Eis. Bei der Europameisterschaft in Freilassing kam er mit dem deutschen Bundestrainer ins Gespräch und konnte ein paar Probewürfe absolvieren. Schon damals erzielte er teilweise höhere Weiten als manche Profis. Was danach folgte, ist Geschichte: Andi wurde vom Ehrgeiz gepackt. Sein Ziel? Selber an einem Großereignis teilzunehmen. 2012 konnte Andi sich erstmals mit dem U-19 Team für eine Europameisterschaft qualifizieren. Bereits ein Jahr später wurden er und das deutsche U-19 Team Europameister. Im Einzel holte er sich die Bronzemedaille. Es folgten weitere WM-Titel mit dem U23 Team 2014 und 2016, sowie der U-23 Vize-Weltmeistertitel 2016. Bei den Europameisterschaften 2017 konnte er mit den Herren, sowie in der U-23 die Teamwertung gewinnen. Im Einzel gab es bei der U-23 Silber, bei den Herren den 4. Platz.

Immer wieder versuchen die besten Eisschützen den Weltrekord von 1989 zu brechen. Andi erzählte uns, während er vom Schönramer X-Mix trank, dass Weiten über 500 m sehr selten sind und nur auf Natureis unter optimalen Bedingungen möglich seien. 2017 veranstaltete Servus TV am Weißen See in Kärnten einen neuerlichen Weltrekordversuch mit den 12. besten Schützen der Welt. Andi Weber war damals ebenfalls nominiert und erzielte mit 404 Metern seine persönliche Bestweite und belegt den 5. Platz. Sieger wurde der Österreicher Bernhard Patschg mit 460 Meter.  

Auf die Frage, wie es ihm während Corona erging, beantwortet der 27-jährige Ainringer wie folgt: „Corona hat auch den Stocksport nicht verschont. Die Trainingsbedingungen waren zach. Es gab kaum Wettkämpfe oder Trainingslehrgänge und man konnte sich nicht mit anderen Athleten messen.“ Die EM fand 2021 unter strengen Corona-Maßnahmen dennoch statt. Im Team erkämpften sich die Deutschen mit Andi Weber, wie bereits 2017 die Goldmedaille. Im Einzel ging es für Andi über den 6. Platz nicht hinaus.

Andis Ziele für die Zukunft bleiben weiter zielstrebig. Andi möchte unbedingt einen Einzeltitel erkämpfen. Bei der WM 2022 in Italien bleibt ihm jedoch leider nur die Betreuerrolle für Luca. Im Gegensatz zum Freilassinger Jungspund konnte er sich diesmal bedauerlicherweise nicht qualifizieren. Die Frage, ob er in Zukunft, wie die dem Stocksportverwandten Curling Spieler, auch um Olympiagold kämpfen wird brachte ihn zum Schmunzeln, „Schau ma mal. Seit 1936 träumen wir Eisstockschützen, dass mia um olympisches Edelmetall „schießen“ dürfen. Unser Weltverband (IFI) bemüht sich neuerlich um die Aufnahme in den olympischen Kalender. Mit bisserl an Glück sama 2026 dabei.“  In Deutschland gibt es immerhin 30.000 Stockschützen in diversen Ligen. Momentan wird in 25 Ländern der Stocksport praktiziert. Sogar in exotischen Ländern, wie Brasilien, Namibia oder Australien gibt es Stockschützen. Den größten Boom nimmt man momentan in China wahr. Hier wird bereits nach deutschen- und österreichischen Trainern gesucht, um sich vermutlich für eine mögliche Goldjagt bei Olympia zu wappnen.

Andi Webers Erfolge:

- 2012 Europameister mit der Mannschaft U19

- 2013 Europameister mit der Mannschaft und 3. Platz im Einzel Europameisterschaft U19

- 2014 Weltmeister mit der Mannschaft und 4. Platz im Einzel Weltmeisterschaft U23

- 2016 Weltmeister mit der Mannschaft und Vizeweltmeister im Einzel U23

- 2017 Europameister mit der Mannschaft und Vizeeuropameister im Einzel U23

- 2017 Europameister mit der Mannschaft und 4. Platz im Einzel Europameisterschaft Herren

- 2017 Offizieller Weltrekordversuch veranstaltet durch ServusTV mit den 12 Besten der Welt, 5. Platz mit einer Weite von 404 Metern

- 2021 Europameister mit der Mannschaft und 6. Platz im Einzel Europameisterschaft Herren